FAQ

Ist mein Harmonium ein Druckwind- oder ein Saugwind-Harmonium? Wie kann ich das feststellen?

Technischer Hintergrund: Die verschiedenen Windsysteme


Bei Harmoniums gibt es zwei unterschiedliche Windsysteme:

  1. Das Druckwind- oder auch Druckluft-Harmonium arbeitet mit Überdruck, d. h. mit den Schöpfbälgen wird Luft --oder fachmännisch ausgedrückt: "Wind" -- über Schöpfbälge in das Instrument hineingedrückt, durch die Windlade auf die einzelnen Zungen als Klangerzeuger verteilt. Der Wind strömt nun, wenn die entsprechenden Ton- und Registerventile geöffnet sind, an der entsprechenden Zunge vorbei nach außen, wobei die die Zunge zu schwingen beginnt und ein Ton hörbar wird. Die schwingende Luft passiert gegebenenfalls hinter der Zunge noch klangformende Kanzellen.
    Vereinfacht durchläuft der Wind also beim Druckwind-Harmonium die folgenden Stationen:
            Balgsystem --> Windlade --> Zungen --> Kanzellen (wenn vorhanden)
     
  2. Das Saugwind- oder auch Saugluft-Harmonium arbeitet, wie der Name schon vermuten läßt, mit Unterdruck: Mit dem Balgsystem wird Luft in das Instrument hineingesaugt. Der Wind passiert also erst die Kanzellen, strömt dann an den Zungen vorbei durch die Windlade und dann in das Balgsystem hinein. Wenn der Magazinbalg sich durch seine eingebaute Federung weitgehend aufgeblasen hat und so die maximale Windmenge durch das Instrument gesaugt hat, tritt der Harmoniumspieler den Schöpfbalg, der hierdurch aufgezogen wird und Wind aus dem Magazinbalg absaugt. Damit kann der Magazinbalg wiederum Wind durch das Instrument saugen, so daß der Ton fortklingen kann.
    Vereinfacht durchläuft der Wind beim Saugwind-Harmonium also folgende Stationen:
            Kanzellen --> Zungen --> Windlade --> Balgsystem
    oder:
            Kanzellen --> Zungen --> Windlade --> Magazinbalg --> Schöpfbalg 
    wobei Magazinbalg und Schöpfbalg das Balgsystem darstellen.
    Da die Harmonium-Zungen nur in einer Windrichtung funktionieren, sind diese beim Saugwind-Harmonium gegenüber denen des Druckwind-Harmoniums in umgekehrter Arbeitsrichtung montiert.

Schon diese Unterschiede im Windsystem führen dazu, daß sich Druckwind- und Saugwind-Harmonium klanglich voneinander unterscheiden: Das Saugwind-Harmonium klingt eher dunkler und weicher, zum Teil orgelartig, während das Druckwind-Harmonium eher heller und schärfer klingt.
Für die klanglichen Unterschiede zwischen diesen beiden Harmoniumtypen sind daneben aber auch andere Faktoren, wie zum Beispiel unterschiedliche Zungenmensuren mit verantwortlich.  

Vorgehen bei der Unterscheidung

1. Expressionszug als wesentliches Unterscheidungskriterium

Besitzt Ihr Harmonium einen Registerzug namens "Expression", so handelt es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein Druckwind-Harmonium, hat es diesen Zug nicht, so handelt es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein Saugwind-Harmonium.

(Der Hintergrund: Es wurde zwar eine Expressionsvorrichtung für Saugwind-Harmoniums entwickelt, aber nur sehr vereinzelt gebaut).

Der Registerzug "Expression" schaltet den Magazinbalg aus, damit der Wind direkt von den Schöpfbälgen in die Windlade geleitet wird, so daß man durch unterschiedlich starkes Pumpen mit den Schöpfbälgen nicht nur laut und leise spielen, sondern auch stufenlos crescendieren und de-crescendieren kann ("Expressionsspiel").

2. Unterschiedliche Klaviatur-Umfänge und unterschiedliche Klaviatur-Teilung

Ein weiteres Indiz für die Unterscheidung Saugwind-/Druckwind-Harmonium ist der erste bzw. letzte Ton der Klaviatur: handelt es sich bei dem ersten bzw. letzten Ton um ein F bzw. f3, dann ist dies ein Indiz für ein Saugwind-Harmonium; beginnt die Klaviatur bei C oder hat sie gar den Umfang C-c4, wird es sich um ein Druckwind-Harmonium handeln.

Außerdem haben Saug- und Druckwindharmoniums unterschiedliche Klaviaturteilungen, was bedeutet, daß es für jede Hälfte der Klaviatur separate Register gibt und damit auf jeder Hälfte der Klaviatur unterschiedliche Registrierungen eingestellt werden können.
Druck- und Saugwindharmoniums haben dabei die folgenden Klaviaturteilungen:

  • Saugwindharmonium: Klaviaturteilung zwischen h und c1
  • Druckwindharmonium: Klaviaturteilung zwischen e1 und f1

Mit Ausnahme kleiner Instrumente gibt es bei fast allen Harmoniums diese Klaviaturteilungen.

Damit stellen sich die Verhältnisse bei den verschiedenen Harmoniumtypen folgendermaßen dar, Sonderbauformen mit speziellen Klaviaturumfängen ausgenommen:

HarmoniumtypKlaviaturteilungKlaviatur
(bei 5 Oktaven Umfang)
Umfang
Baßregister
Umfang
Diskantregister
Registerzug
"Expression"
Wind-
System
Saugwindharmoniumzwischen h und c1von F bis f4F bis h *c1 bis f4neinUnterdruck
Druckwindharmoniumzwischen e1 und f1von C bis c4C bis e1f1 bis c4jaÜberdruck

* = Bei Saugwind-Harmoniums reicht das Register "Subbass" oder "Sub Bass" in der Regel nicht über den vollen Bass-Umfang, sondern hat im Gegensatz zu den übrigen Bassregistern nur einen Umfang von 1 Oktave von C bis c0.

Vorgehen bei der Feststellung der Klaviatur-Teilung:
Bei der geteilten Klaviatur, die bei Harmoniums der Regelfall ist, wirken (mit Ausnahme einzelner spezieller Instrumente) die auf der rechten Seite befindlichen Register nur auf die rechte Hälfte der Klaviatur, die der linken Seite befindlichen nur auf die linke Seite der Klaviatur.
Expressionsregister und Vox-Humana-Register (=Tremolo) sowie ggf. Grand Jeu-Register befinden sich normalerweise in der Mitte.
     Ziehen Sie nur Register von einer Seite und spielen Sie alle Töne der Klaviatur von unten nach oben oder umgekehrt durch – ab einer bestimmten Taste wird nichts mehr zu hören sein – dabei darf natürlich das Windschöpfen mit den Fußtritten nicht vergessen werden!
Zwischen den Tasten, an denen die Töne zu klingen beginnen bzw. aufhören, liegt dann die Teilung der Klaviatur. Die obige Tabelle hilft anschließend weiter, den Harmoniumtyp (Druck- oder Saugwind) zu bestimmen.
Sehen Sie außerdem nach den Registernamen (siehe unten Abschnitt 3: "Registernamen / Disposition").

3. Registernamen / Disposition

Weitere Indizien für den Harmoniumtyp sind die Namen der Register und ihre Zusammenstellung am Instrument (Disposition).

Hier könnte Ihnen sicherlich ein Blick auf unsere Seiten Grundwissen zum Harmonium helfen. Dort gibt es einzelne Kapitel zu den jeweiligen Harmoniumtypen.

Konsequenzen für die zu spielende Musik

Bedingt durch die unterschiedlichen Klaviaturumfänge- und Teilungen sind für das Druckwind-Harmonium komponierte Musikstücke nur bedingt und manchmal gar nicht auf dem Saugwind-Harmonium darstellbar. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Auch der Klang beider Instrumententypen (siehe oben) kann dabei eine Rolle spielen.

Man wird hier jedoch anhand des vorhandenen Harmoniums und der zu spielenden Stücke individuell entscheiden müssen, ob das betreffende Stück unter Zuhilfenahme von Umlegungen und/oder der Wahl anderer Register auf dem anderen Harmoniumtyp spielbar ist.

Thematisch verwandte Seiten:

Nach oben

 

Version 1.2.1

Erstellt von Stefan Gruschka.

Zu den Ansprechpartnern.