FAQ
Ist es sinnvoll, mein Harmonium mit einem elektrischen Gebläse zu versehen?
Beim Anschluß/Einbau eines elektrischen Gebläses, das zu einem konstanten Winddruck führt, erspart man sich zwar das Pumpen (im Fachjargon "Wind schöpfen"), beraubt sich jedoch -- insbesondere bei Druckwind-Harmoniums -- der äußerst wichtigen musikalischen Möglichkeit des Expressionspieles, welches das charakteristische musikalische Ausdrucksmittel des Harmoniums ist.
Das Expressionsspiel ist die musikalische Verwendung des stufenlosen Crescendos und Decrescendos, welches an guten Harmoniums mit einer großen Dynamik und ohne klangliche Brüche durch entsprechend geschicktes stärkeres und schwächeres "Pumpen" möglich ist -- dies gilt auch, allerdings in viel geringerem Maße für Saugwind-Harmoniums.
Beim Expressionsspiel (am Druckwindharmonium) ist der Registerzug "Expression" gezogen, wodurch der für annähernd konstanten Winddruck sorgende Magazinbalg ausgeschaltet wird und der Spieler die Lautstärke unmittelbar durch die Stärke seines Druckes auf die Schöpfbälge kontrollieren kann.
Geübten Harmoniumspielern sind mit entsprechender Trettechnik spezielle Effekte, wie zum Beispiel Akzentsetzung oder Winddruck-Vibrato möglich.
Das Bestreben nach einem stufenlosen Crescendo und Decrescendo ohne klangliche Brüche hat gerade die Entwicklung des Harmoniums und seiner Vorläuferinstrumente motiviert.
Bei der Orgel ist ein Crescendo und Decrescendo durch Veränderung des Winddruckes nicht möglich, da die Labialpfeifen (Funktionsprinzip Blockflöte) und die aufschlagenden Zungenpfeifen (Funktionsprinzip Klarinette) ihre Tonhöhe in Abhängigkeit vom Winddruck ändern.
Nur der Ton der durchschlagenden Zungen, die im Harmonium als Klangerzeuger verwendet werden, bleibt in seiner Höhe auch bei wechselndem Winddruck stabil, und diese Klangerzeugung ermöglicht beim Harmoniumspiel eine große Dynamik.
Durch wechselnden Druck beim Schöpfen des Windes ist der Klang des Harmoniums in der Lautstärke ähnlich beweglich wie der der menschlichen Stimme. Im Vergleich zur menschlichen Stimme kann diese Wirkung durch Hinzuziehen und Abstoßen mehrerer Register jedoch noch potenziert werden.
Wegen seiner großen Dynamik und zudem des verschmelzungsfähigen Klanges eignet sich das Harmonium auch hervorragend als Begleitinstrument zu anderen Instrumenten oder der Singstimme.
In jedem Falle bedeutet der Anschluß eines elektrischen Gebläses einen gravierenden Eingriff in das Harmonium, der mit vertretbarem Aufwand dann kaum wieder rückgängig zu machen ist.
Und mit dem Anschluß eines elektrischen Gebläses wird das betreffende Harmonium einem der wichtigsten musikalischen Ausdrucksmittel beraubt, das die Orgel, mit der das Harmonium oft verglichen wird, in dieser Form kaum bieten kann.
Daher ist vom Einbau eines elektrischen Gebläses in fast allen Fällen abzuraten.
Und selbst manche Orgelharmoniums, die zuerst als Orgelersatz oder Übungs-Orgeln gedacht waren, besitzen neben einer Pumpeinrichtung für den Kalkanten (Balgtreter) oder neben dem Anschluß für ein motorisiertes Gebläse eine Treteinrichtung, bei der der Organist/der Harmoniumspieler die Stärke des Windes im Harmonium direkt mit den Füßen beeinflussen kann oder mit der er - zwecks Expressionsspiel - selbst Wind schöpfen kann.
Erstellt von Stefan Gruschka.
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