Aktuelles

Neues im Regerjahr: Ein Werk für Harmonium und Klavier

Der 150. Geburtstag des Komponisten Max Reger gibt Anlass für viele Konzerte, Vorträge und Veröffentlichungen. Es gilt die Spuren für eine authentische Wiedergabe der Kompositionen zu finden. Für Organisten sind die Aufnahmen, die Reger 1913 an der Welte-Philharmonie-Orgel in Freiburg machte interessant. Heute noch erhältlich als CD „Reger spielt Reger“.
Die Musikrollen von Welte waren damals neu und nur wenigen Menschen war dieses Reproduktionsmittel zugänglich. Vielmehr war das Erleben von Musik in Bearbeitungen üblich: Bearbeitungen für Klavier, für Klavier vierhändig oder für Harmonium-Klavier-Duo ermöglichten, die Musik im eigenen Wohnzimmer zu spielen und zu hören.
Während seiner Wiesbadener Zeit (1890-1898) entstand 1895 die Suite e-Moll für Orgel, opus 16. Diese kam am 4. März 1897 durch Karl Straube in Berlin zur Uraufführung. Reger bearbeitete daraus das „Adagio assai“ im gleichen Jahr für Klavier vierhändig. Diese Version ist erst seit 2006 im Druck erhältlich. Auch entstand im Oktober 1897 eine Version für Harmonium und Klavier, die Dank Wiesbadener Musiker gefunden und aufgeführt wurde und nun auch im Druck erschienen ist. Regers Frau, Elsa, berichtete einmal, dass diese Version für sie und die Cousine Berta von Seckendorff am Flügel entstanden ist. Weiter berichtet sie vom Musizieren verschiedener Musikwerke in der Trio-Besetzung Harmonium-Klavier-Geige, wobei ihr späterer Mann Max Reger den Geigen-Part übernahm.
Nun ist endlich das „Adagio assai: aus der Suite e-Moll für Orgel, opus 16“ in der Bearbeitung für Harmonium und Klavier vom Komponisten in der Edition Kemel Niedernhausen erschienen. Ein Beitrag zur authentisch historischen Musikpraxis herausgegeben von Andreas Karthäuser.
Dieser Erstdruck beruht auf der autographen Klavier- und Harmonium-Stimme der Meininger Museen. Erhältlich ist der Erstdruck sowohl in gedruckter Form als auch als digitale Datei bei: Noten Roehr, Am Dachsbau 1b, D-65527 Niedernhausen, www.noten-roehr.de. Während die gedruckte Version einfarbig ist, konnte in der PDF-Datei eine dreifarbige Version realisiert werden.
So chaotisch der Lebenswandel von Max Reger war, so penibel akribisch waren seine Kompositionen und deren saubere Niederschrift. Reger benutzte zwei Schreibschriften, die lateinische für Titel, Tempo, Dynamik und die deutsche Schrift für ergänzende Hinweise. Für die Notation benutzte er schwarze und rote Tusche für Dynamikangaben, Bögen, Ausführungshinweise. Beides ist in der digitalen (PDF-Datei) übernommen, wobei die deutsche Schreibschrift übertragen wurde und durch eine andere Schrifttype kenntlich gemacht wurde. In dem Stück werden Motive von drei Chorälen verwendet: „Es ist das Heil uns kommen her“, „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir!“ und „O Haupt voll Blut und Wunden“. In der PDF-Datei wurde dies im Notentext dunkelblau hervorgehoben.
Für den authentisch ausführenden Musiker stellt sich noch die Frage, welchen Harmoniumtyp Reger zur Verfügung hatte. Über das Harmonium in der Wiesbadener Zeit ist nichts bekannt, im Max-Reger-Institut in Karlsruhe befindet sich ein Hofberg-Saugwindharmonium aus dem Familienbesitz der Familie Reger. Dieses Instrument stand ab ca. 1902 dem Komponisten in München zur Verfügung. Aus dem Notentext lässt sich auch nicht eindeutig schließen, welcher Harmoniumtyp der authentische wäre. Dort finden sich nur die Angaben 8‘, 8‘+4‘, nur 16‘ oder Volles Werk. Die dynamischen Anweisungen für die Harmoniumstimme lassen sich am besten mit einem Druckwindharmonium darstellen. Allerdings wird an einer Stelle der Klaviaturumfang für ein Druckwindharmonium unterschritten. In Takt 16 direkt unter dem Hinweis „Nur 16‘“ wird ein HH verlangt, ein Ton der Subkontra-Oktave. Also eine Taste, ein Ton, den es auch an der Orgel nicht gibt, obgleich es eine Transkription aus der originalen Orgelkomposition durch den Komponisten ist. Ein ambitionierter Interpret wird jedoch eine Lösung für sich finden und diese Erstdruck-Ausgabe des „Adagio assai“ als eine Erweiterung des Repertoires begrüßen und hoffentlich häufiger aufführen.
Dieser Erstdruck ist eine Bereicherung für jedes Harmonium-Klavier-Duo. Ein Baustein zur authentischen Aufführungspraxis der Musik um 1900, die nach Barock, Klassik und Romantik mittlerweile auch als historische Epoche gesehen wird.

Ulrich Averesch